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Werkseigentümer-Haftung bezüglich der Umgebung von Spielplätzen: Gewässer

Werkseigentümer-Haftung bezüglich der Umgebung von Spielplätzen: Gewässer

Untenstehende Auszugsweise der Bundesgerichtsentscheid, welcher wegweisend ist bezüglich der Thematik:
Werkseigentümer-Haftung bezüglich der Umgebung von Spielplätzen: Gewässer.

Prinzipielle Themen sind:

  1. Nähe des Gewässers zum Spielplatz und Einfachheit des Zugangs
  2. Wahrscheinlichkeit der Gefährdung durch ein Gewässer in der Nähe des Spielplatzes
  3. Alter der Kinder auf dem Spielplatz
  4. Sicherheitsvorkehrungen beim Gewässer oder beim Spielplatz, Verhältnismässigkeit
  5. Wahrscheinlichkeits-Betrachtung im Bezug auf das Unfallrisiko und Kausalitäts-Zusammenhänge
  6. Aufsichtspflicht der Eltern
  7. Werkmangel und fehlender Unterhalt
  8. Zumutbarkeit der Risiko-Abschätzung durch das Kind (entsprechend Alter und geistigen und körperlichen Fähigkeiten)
  9. Eigenverantwortlichkeit des spielenden Kindes und/oder der Aufschtspersonen


101. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Politische Gemeinde Vilters-Wangs und A. gegen B. AG (Berufung)

4C.157/2004 vom 8. September 2004

Regeste a: Werkeigentümerhaftung; Art. 58 OR.
Regeste b: Inhalt und Umfang der Werkeigentümerhaftung im Allgemeinen (E. 1.1, 1.3 und 1.4).
Regeste c: Zuordnung der Mängel und Abgrenzung der Verantwortungsbereiche bei kombinierten Werken. Haftpflichtig kann nur sein, wer für ein Werk verantwortlich ist, das im Hinblick auf seine Zweckbestimmung als mangelhaft erscheint (E. 1.2).
Regeste d: Werkeigentümerhaftung bei Kinderunfällen; Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 1.5 und 1.6).
Werkeigentümerhaftung bezüglich einer Zufahrtsstrasse verneint, da diese für den bestimmungsgemässen Gebrauch tauglich war und keine Ausnahmesituation vorlag, welche die Werkeigentümerhaftung trotz zweckwidrigem Gebrauch auslöst (E. 2).
BGE 130 III 736 S. 737
Die damals dreieinhalb Jahre alte A. (Klägerin 2) besuchte im April 1993 zusammen mit ihren Eltern und ihrer Grossmutter ihre in X. wohnhafte Tante. Während dieses Besuchs stürzte sie in den der Zufahrtsstrasse (Y.-Weg) entlang führenden Webereikanal und erlitt dabei eine schwere Hirnschädigung. Die Politische Gemeinde Vilters-Wangs (Klägerin 1) bevorschusste die Transport- und Spitalkosten.
Nach den Angaben der Klägerinnen trug sich der Unfall folgendermassen zu: Während der Vater und die Grossmutter im Garten tätig gewesen seien, habe die Klägerin 2 mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft, einer Erstklässlerin, auf dem Gebäudevorplatz gespielt. Das Nachbarmädchen habe sich nach einer gewissen Zeit unbemerkt entfernt, um die Toilette aufzusuchen. Plötzlich habe man bemerkt, dass die Klägerin 2 verschwunden war und sich nach ihr auf die Suche gemacht. Der Vater habe an der Böschung des Webereikanals, an der Stelle, wo eine metallgefasste Leitung den Kanal überquere, zuerst ihr Dreirad gefunden, das durch einen Strauch aufgehalten worden sei. Schliesslich habe er das Kind, das kanalabwärts getrieben worden sei, aus dem Wasser holen können. Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass der Unfall hätte vermieden werden können, wenn die B. AG (Beklagte) die Strasse und den Kanal hinreichend gesichert hätte.
[...]
Aus den Erwägungen:
1. Vorliegend ist umstritten, ob die Klägerinnen die Beklagte aus der Werkeigentümerhaftpflicht (Art. 58 OR) in Anspruch nehmen können. Die Vorinstanz bejahte den Werkcharakter sowohl der Zufahrtsstrasse als auch des Webereikanals. Nach ihrer Auffassung stellt sich nicht die Frage, ob die Werke mangelhaft unterhalten sind, sondern ob ein Werkmangel infolge fehlerhafter Erstellung vorliegt. Die Beklagte, welche sachenrechtliche Eigentümerin des Webereikanals und des Grundstücks sei, auf dem die Zufahrtsstrasse liege, könne nur für einen allfälligen Erstellungsmangel des Webereikanals belangt werden, während die Klägerin 1 als für die Anlage der Zufahrtsstrasse verantwortliches Gemeinwesen für einen allfälligen, dort auftretenden Werkmangel infolge fehlerhafter Erstellung einzustehen habe.
Die Vorinstanz geht davon aus, dass sich der Unfall der Klägerin 2 aufgrund der räumlichen Konstellation der Zufahrtsstrasse und des Webereikanals ereignete. Ob die Beklagte und die Klägerin 1 aufgrund der räumlichen Verbindung der Werke zu einem so genannten "kombinierten Werk" solidarisch haftbar seien, könne hier aber offen bleiben, da ein Werkmangel zur Zeit des Unfalls nicht bestanden habe. Ein Werkmangel durch das Nebeneinander von Zufahrtsstrasse und Webereikanal würde nur dann vorgelegen haben, wenn sich der Unfall trotz der bestimmungsgemässen Benützung der Zufahrtsstrasse ereignet hätte. Die Benützung der Zufahrtsstrasse durch ein unbeaufsichtigtes Kleinkind sei aber nicht bestimmungsgemäss. Ebenso wenig liege eine Ausnahmesituation vor, in welcher der Werkeigentümer aufgrund der Voraussehbarkeit der bestimmungswidrigen Benützung des Werks durch Kinder zu haften habe. Der vorliegende Sachverhalt könne nicht mit demjenigen im vom Bundesgericht entschiedenen "Plauschbad-Fall" (BGE 116 II 422) verglichen werden. Weder der Webereikanal noch die Zufahrtsstrasse würden durch Wesen und Anlage Kinder zu einem bestimmungswidrigen Gebrauch verleiten, dem mit besonderen Sicherheitsvorkehren zu begegnen gewesen wäre. Mit unbeaufsichtigten Kleinkindern habe die Beklagte trotz der Tatsache, dass die Zufahrtsstrasse in einen Vorplatz eines Mehrfamilienhauses münde, jedenfalls nicht rechnen müssen. Selbst wenn aber mit unbeaufsichtigt spielenden Kleinkindern zu rechnen gewesen wäre und auch das Verlassen des Vorplatzes eine voraussehbare Verhaltensweise dargestellt hätte, habe dies allein nicht zum Unfall der Klägerin 2 geführt. Vielmehr habe die Klägerin 2 die Zufahrtsstrasse verlassen und über das bewachsene Bord geraten müssen, damit sich der folgenschwere Sturz in den Webereikanal ereignen konnte. Dieser letzte Schritt gehöre keinesfalls mehr zu den Ereignissen, mit welchen die Beklagte habe rechnen müssen.
In einer Eventualbegründung hält die Vorinstanz des Weiteren dafür, dass die Verletzung der Aufsichtspflicht des Vaters als grob beurteilt werden müsse, weshalb die Beklagte auch aus dem Blickwinkel des kausalitätsunterbrechenden Drittverschuldens nicht zur Rechenschaft gezogen werden könnte.
[...]

1.1 Unter Werken im Sinne der Werkeigentümerhaftung gemäss Art. 58 Abs. 1 OR sind Gebäude oder andere stabile, künstlich hergestellte, bauliche oder technische Anlagen zu verstehen, die mit dem Erdboden, sei es direkt oder indirekt, dauerhaft verbunden sind (BGE 121 III 448 E. 2a S. 449 mit Hinweisen). Der Werkcharakter des Webereikanals ist unbestrittenermassen gegeben (vgl. BGE 91 II 474 E. 6 S. 484; 61 II 78 E. 2 S. 79). Dasselbe gilt für eine Zufahrtsstrasse, wie sie der Y.-Weg darstellt (BGE 111 II 55 E. 1 S. 56; BGE 103 II 240 E. 2a S. 242, mit Hinweisen).
1.2 Im Bereich von Strassen befinden sich häufig Anlagen verschiedener Eigentümer. Dies bedingt eine Zuordnung der geltend gemachten Mängel zu den betreffenden Werken und eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche der einzelnen Werkeigentümer. Die Grenzen der Werkmängelhaftung decken sich dabei nicht notwendigerweise mit den Grenzen des sachenrechtlichen Eigentums (vgl. BGE 121 III 448 E. 2a S. 449 f. mit Hinweisen).
[...]
Vorliegend behaupten die Klägerinnen, der Webereikanal sei mangelhaft gewesen, weil zwischen ihm und der Zufahrtsstrasse keine Abschrankung angebracht worden sei. Nach dem Gesagten kann dieser allfällige Mangel dem Webereikanal aber nicht zugeordnet werden. Der Zweck des Webereikanals besteht einzig und allein darin, der Weberei das zu ihrem Betrieb erforderliche Wasser zuzuführen. Die Erfüllung dieses Zwecks wird durch das Fehlen einer Abschrankung zwischen dem Webereikanal und der Zufahrtsstrasse in keiner Weise berührt. Unter der Voraussetzung, dass eine Abschrankung zwischen Zufahrtsstrasse und Webereikanal hätte angebracht werden sollen, lässt die fehlende Abschrankung deshalb lediglich die Zufahrtsstrasse als mangelhaft erscheinen. Zu prüfen ist als nächstes, ob die Zufahrtsstrasse tatsächlich mangelhaft war.
1.3 Nach Art. 58 Abs. 1 OR haftet der Werkeigentümer für den Schaden, der durch fehlerhafte Anlage oder Herstellung oder durch mangelhaften Unterhalt des Werks verursacht wird. Ob ein Werk fehlerhaft angelegt oder mangelhaft unterhalten ist, hängt vom Zweck ab, den es zu erfüllen hat. Ein Werkmangel liegt vor, wenn das Werk beim bestimmungsgemässen Gebrauch keine genügende Sicherheit bietet (BGE 126 III 113 E. 2a/cc S. 116; BGE 123 III 306 E. 3b/aa S. 310 f., je mit Hinweisen; BREHM, a.a.O., N. 65 f. zu Art. 58 OR; SCHNYDER, a.a.O., N. 13 zu Art. 58 OR; OFTINGER/STARK, a.a.O., § 19 Rz. 73; REY, a.a.O., Rz. 1058; WERRO, Commentaire romand, N. 16 zu Art. 58 OR; KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, Bd. I, 6. Aufl., Bern 2002, S. 202 f.). Als Grundsatz gilt somit, dass das Werk einem bestimmungswidrigen Gebrauch nicht gewachsen zu sein braucht. Eine Schranke der Sicherungspflicht bildet die Selbstverantwortung. Vorzubeugen hat der Werkeigentümer nicht jeder erdenklichen Gefahr (BGE 123 III 306 E. 3b/aa S. 311). Er darf Risiken ausser Acht lassen, welche von den Benützern des Werks oder von Personen, die mit dem Werk in Berührung kommen, mit einem Mindestmass an Vorsicht vermieden werden können (BGE 126 III 113 E. 2a/cc S. 116; BGE 117 II 399 E. 2 S. 400, je mit Hinweisen). Ein ausgefallenes, unwahrscheinliches Verhalten muss nicht einberechnet werden (BREHM, a.a.O., N. 85 zu Art. 58 OR; WERRO, a.a.O., N. 16 zu Art. 58 OR; OFTINGER/STARK, a.a.O., § 19 Rz. 74; REY, a.a.O., Rz. 1058; KELLER, a.a.O., S. 205 f.; DESCHENAUX/TERCIER, a.a.O., § 12 Rz. 49).
Eine weitere Schranke der Sicherungspflicht bildet die Zumutbarkeit. Zu berücksichtigen ist, ob die Beseitigung allfälliger Mängel oder das Anbringen von Sicherheitsvorrichtungen technisch möglich ist und die entsprechenden Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Schutzinteresse der Benützer und dem Zweck des Werks stehen (BGE 126 III 113 E. 2a/cc S. 116; BGE 123 III 306 E. 3b/aa S. 311, je mit Hinweisen). [...]
Zur privatrechtlichen Haftung des Gemeinwesens als Werk- und Grundeigentümer, in: ZBl 1976 S. 425).
Es kann vom Strasseneigentümer, bei dem es sich meistens um das Gemeinwesen handelt, nicht erwartet werden, jede Strasse so auszugestalten, dass sie den grösstmöglichen Grad an Verkehrssicherheit bietet
Sodann muss in jedem einzelnen Fall geprüft werden, ob der Strasseneigentümer nach den zeitlichen, technischen und finanziellen Gegebenheiten in der Lage war, seine Aufgabe zu erfüllen (BGE 129 III 65 E. 1.1 S. 67; BGE 102 II 343 E. 1c S. 346; BREHM, a.a.O., N. 173 zu Art. 58 OR; OFTINGER/STARK, a.a.O., § 19 Rz. 111; SCHNYDER, a.a.O., N. 23 zu Art. 58 OR; WERRO, a.a.O., N. 36 zu Art. 58 OR). Die Frage der Zumutbarkeit von Sicherheitsvorkehren wird zudem unterschiedlich beurteilt, je nachdem, ob es sich um eine Autobahn, eine verkehrsreiche Hauptstrasse oder einen Feldweg handelt (BGE 129 III 65 E. 1.1 S. 67; BGE 102 II 343 E. 1c S. 345 f.; ferner BGE 108 II 184 E. 1b S. 186; BREHM, a.a.O., N. 170 zu Art. 58 OR).
Bestehen verwaltungsrechtliche Vorschriften über Anlage und Unterhalt von Strassen, bedeutet deren Verletzung in der Regel einen Werkmangel im Sinne von Art. 58 OR (BGE 102 II 343 E. 1a S. 344 f.; BREHM, a.a.O., N. 193 zu Art. 58 OR; KUTTLER, a.a.O., S. 427). Umgekehrt kann die Befolgung solcher Vorschriften nur ein Indiz für die Einhaltung der erforderlichen Sorgfaltspflicht darstellen und schliesst einen Werkmangel nicht von vornherein aus (BREHM, a.a.O., N. 194 zu Art. 58 OR; OFTINGER/STARK, a.a.O., § 19 Rz. 150).
1.5 Der Grundsatz, dass der Werkeigentümer nur für den bestimmungsgemässen Gebrauch seines Werks haftet, gilt nicht uneingeschränkt. Ausnahmsweise bejahen Lehre und Rechtsprechung die Haftung des Werkeigentümers selbst bei einem zweckwidrigen Verhalten bestimmter Personengruppen, insbesondere von Kindern. Zu denken ist erstens an Werke, bei denen aufgrund ihrer Beschaffenheit augenfällig ist, dass Unvernunft und Unvorsicht zu schweren Schädigungen führen können (vgl. BGE 117 II 50 E. 2b S. 54; Urteil des Bundesgerichts 4C.36/1997 vom 15. Juli 1997, E. 2a). [...]
Eine weitere Gefahrenquelle stellen Werke dar, welche Kinder zu einer bestimmungswidrigen Benützung verleiten. [...]
1.6 Aus der dargestellten Rechtsprechung ergeben sich die folgenden Grundsätze zur Werkeigentümerhaftung bei Kinderunfällen:
Der Werkeigentümer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass Kinder sich gemäss der ihrem Alter entsprechenden, durchschnittlichen Vernunft verhalten. Kinder, die in Bezug auf die Benützung eines bestimmten Werks nicht über die erforderliche Vernunft verfügen, gehören unter Aufsicht. Dies muss insbesondere für den Strassenverkehr gelten, da das Strassennetz nicht eine für jeden Verkehrsteilnehmer optimale Sicherheit zu gewährleisten braucht. Der Strasseneigentümer darf darauf vertrauen, dass nur verkehrsgeschulte Kinder sich unbegleitet im Strassenverkehr aufhalten.
Ausnahmsweise hat der Werkeigentümer jedoch besondere Sicherheitsvorkehren zur Verhinderung zweckwidrigen Verhaltens durch Kinder zu treffen, wenn das Werk aufgrund seiner Beschaffenheit besondere Risiken in sich birgt, welche bei fehlender Vernunft und Vorsicht zu schweren Schädigungen führen, oder wenn das Werk aufgrund seiner besonderen Zweckbestimmung Kinder zu einer bestimmungswidrigen Benützung verleitet. Voraussetzung der Haftbarkeit des Werkeigentümers ist aber in jedem Fall, dass das zweckwidrige Verhalten voraussehbar ist und zumutbare Massnahmen getroffen werden können, damit eine zweckwidrige Verwendung nicht erfolgt. Gegen ein ausgefallenes Verhalten muss der Werkeigentümer selbst bei Kindern keine Vorkehren unternehmen. Diese die genannten Ausnahmesituationen betreffenden Regeln der Werkeigentümerhaftung bei bestimmungswidriger Benützung des Werks durch Kinder sind in der Lehre anerkannt (KELLER, a.a.O., S. 202 f.; BREHM, a.a.O., N. 65 zu Art. 58 OR; REY, a.a.O., Rz. 1074 ff.; KUTTLER, a.a.O., S. 423).
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Der Unfall der Klägerin 2 ereignete sich zu einem Zeitpunkt, als diese unbeaufsichtigt mit ihrem Dreirad umherfuhr. Das Befahren einer Strasse durch Kinder ist an und für sich nichts Aussergewöhnliches. Jedoch trifft dies nur auf Kinder zu, die über die erforderliche Urteilsfähigkeit verfügen, um die Gefahren des Strassenverkehrs zu erkennen. Dies muss selbst für eine dem allgemeinen Motorfahrzeugverkehr nicht offen stehende Zufahrtsstrasse gelten. Auch dort muss ein Kind der Gefahr eines herannahenden Fahrzeugs gewachsen sein und sich den örtlichen Gegebenheiten entsprechend verhalten können, ehe ihm die Eltern erlauben, sich dort unbegleitet aufzuhalten. Bei einem dreieinhalbjährigen Kleinkind ist auszuschliessen, dass es bereits über die hierzu erforderliche Urteilsfähigkeit verfügt. Das Befahren der Zufahrtsstrasse durch ein unbeaufsichtigtes dreieinhalbjähriges Kind gehört deshalb nicht zur bestimmungsgemässen Benützung der Zufahrtsstrasse.
Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, wenn sie davon ausging, dass die Zufahrtsstrasse für den üblichen Gebrauch tauglich war und insoweit kein Werkmangel im Sinne von Art. 58 Abs. 1 OR gegeben war. [...]
2.2.2 Es stellt sich somit einzig die Frage, ob aufgrund der räumlichen Konstellation der Zufahrtsstrasse damit gerechnet werden musste, dass ein dreieinhalbjähriges Kind infolge fehlender Abschrankungen in den Webereikanal fallen könnte und ob die zu treffenden Sicherheitsvorkehren zumutbar sind. Die Klägerinnen machen geltend, dass mit spielenden Kindern im Bereich des Vorplatzes eines Mehrfamilienhauses immer gerechnet werden müsse. An sich ist nicht von der Hand zu weisen, dass Vorplätze zu Mehrfamilienhäusern von den anwohnenden Kindern als Spielplatz genutzt werden. Ebenso wenig ist auszuschliessen, dass Kinder den Vorplatz verlassen und ihren Aufenthaltsbereich auf die Zufahrtsstrasse ausdehnen. Jedoch dürfte es sich dabei kaum um unbeaufsichtigte Kleinkinder handeln. Im Gegenteil darf grundsätzlich darauf vertraut werden, dass Kleinkinder von ihren Eltern resp. einer von den Eltern beauftragten Person beim Spiel im Freien überwacht werden. Dass der Unfall bei gehöriger Aufsicht vermieden worden wäre, stellen auch die Klägerinnen nicht in Abrede.
Davon abgesehen entfällt die Haftung auch unter dem Blickwinkel der Zumutbarkeit. Wie jede andere Strasse gehören auch Zufahrtsstrassen in der Regel zu einem ganzen Strassennetz des Gemeinwesens, von dem nicht erwartet werden kann, dass es an jeder Stelle Zäune und andere Abschrankungen aufweist, wo es an einem offenen Gewässer vorbeiführt. Ansonsten müssten bei unzähligen, in der näheren Umgebung von Wohnhäusern gelegenen Uferanlagen und Seepromenaden Abschrankungen angebracht werden, wenn auch an solchen Stellen mit Unfällen der vorliegenden Art gerechnet werden müsste. Eine derart weit gehende Sicherungspflicht sprengt aber den Rahmen des Zumutbaren.
Die Vorinstanz hat deshalb kein Bundesrecht verletzt, indem sie erkannte, dass die Voraussetzungen der Werkeigentümerhaftung nicht erfüllt sind. Ob der Sachverhalt anders zu beurteilen wäre, wenn sich der Unfall auf dem Vorplatz ereignet hätte, kann hier offen bleiben.
GTSM Magglingen AG achtet bei Inspektionen auch auf die Umgebung, dazu gehören auch Biotope, Teiche, Seen, Bäche und Flüsse. Fragen Sie uns an!

Hier finden Sie den gesamten Enscheid

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