Am 31.10.2023 fand an der Expo in Bern die 10. Fachtagung zum Thema Spielplatzsicherheit statt. Ein Fachreferat galt der Entstehungsgeschichte von Spielplätzen - passend zum Veranstaltungsthema «Rad der Zeit»: Ein Streifzug durch die Geschichte von Kinderspielplätzen von Andreas Hochstrasser.
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„Spielen ist eine Tätigkeit, die man gar nicht ernst genug nehmen kann.“
Jacques Yves Cousteau
Spielplätze sind, wie das gesellschaftliche Leben, dem Wandel der Zeit unterworfen.
1560 “Kinderspiele“ Pieter Bruegel der Ältere 1830 Jacques Laurent Agasse Anastasia Polyak
Im Mittelalter lebten die Kinder eng mit den Erwachsenen zusammen. Eine Schulbildung war nicht obligatorisch. Das Spielen beschränkte sich daher auf:
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Im 17. und 18. Jahrhundert war das spielen dem gesellschaftlich und sozial gehoben Stand vorbehalten. Spielen galt als Privileg der Reichen.
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Spielzimmer 1835 planet wissen.de/gesellschaft/spiele |
1762 veröffentliche Jean Jacques Rousseau (1712 1778) sein Erziehungsroman „Émile ou de l’Éducation “. Darin beschrieb er, dass das Kind eine eigene Logik hat. Erziehung war folglich ein behutsames Wachsen lassen der kindlichen Anlagen. Die Kindheit wird nun nicht mehr als Vorstufe zum Erwachsenen Dasein, sondern als eine eigenständige Lebensphase betrachtet.
Um 1820 Gründung der Spielplatzbewegung in Deutschland Friedrich Förbel (1782 - 1852) Lehrer der Pestalozzi Schule Frankfurt, Gründer der Spielplatzbewegung in Deutschland. Er wurde stark durch Johann Pestalozzi (1746 bis 1827) geprägt.
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Friedrich Fröbel: « Spiel ist nicht Spielerei, es hat hohen Ernst und tiefe Bedeutung ».
Friedrich Fröbel
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Johann Sperl, Kindergarten, etwa 1885 |
1848 Die ersten Sandspielanlagen in den USA
Der Rechtsanwalt und Pädagoge Henry Barnard (1811 - 1900) veröffentlichte 1848 in den USA ein Handbuch über Schuleinrichtungen im welchem auch ein Spielplatzkonzept beschrieben wurde. Dieses Buch galt damals als verbindliches Standartwerk für Schulen und führte zur Reform des Schulsystems.
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Das Bild zeigt einen Lehrer mit seinen Kindern. Es gibt zwei Schaukeln eine für Mädchen und eine für Jungen und Seile, die an Wirbeln hängen. |
Die ersten Sandspielanlagen in Deutschland und den USA
1850 entstanden in Berlin die ersten öffentlichen Parks „Sandburgen“ zum Spielen. Dies geschah etwa zeitgleich mit dem Durchbruch des Betons als Baustoff.
1885 wurde diese Idee von der deutschen Ärztin Marie Elisabeth Zakrzewska von Berlin nach Boston getragen.
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Die Industrialisierung - "Die gestohlene Kindheit"
In Folge von Kriegen und der zunehmenden Industrialisierung waren bis ins 19. Jahrhundert viele Kinder gezwungen, in Fabriken und Bergwerken zu arbeiten. Kinder, die einen Schulunterricht besuchen durften, mussten zusätzlich bis zu sechs Stunden pro Tag in Fabriken arbeiten. Die Folge waren zunehmende Vernachlässigung der Kinder, Armut, Krankheit, steigende Kriminalität, Umweltzerstörung usw. Man spricht daher von der "Zeit der gestohlenen Kindheit".
Durch die Erfindung des Automobils im Jahr 1886 wurden die Strassen nach und nach gefährlicher. Es wurde ein Konzept benötigt, das Kinder von der Strasse fernhält und ihnen gleichzeitig hilft, ihre körperliche Gesundheit, gute Gewohnheiten, Sozialisationsfähigkeiten und die Freude am Kindsein zu entwickeln.
Gründung der Spielplatzbewegung in den USA
Um 1890: In Folge des zunehmenden Verfalls, wurden Massnahmen ergriffen, um die Gesellschaft wieder zu sozialisieren:
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Kinderspielplatz am Kezar Drive, Sharon Building San Francisco 1894
Gründung der Spielplatzbewegung in den USA
12. April 1906, Washington, DC. Gründung der Playground Association of America (Die 18 Teilnehmer wählten Präsident Theodore Roosevelt zum Ehrenpräsidenten). In einem Treffen im Weissen Haus forderte Präsident Roosevelt:
"Die Freiheit von Kindern soll nicht unangemessen eingeschränkt werden".
Am ersten Kongress 1906 wurden folgende Grundsätze festgelegt:
- Spielen ist für die Gesundheit, das körperliche, soziale und moralische Wohlergehen des Kindes unerlässlich
- Spielplätze sind für alle Kinder ebenso eine Notwendigkeit wie Schulen.
- Ein Spielplatz muss in angemessener Gehentfernung für jedes Kind bereitstellt werden.
- Für jedes Kind muss in der Schule eine Spielfläche von mind. 30 Quadratfuss bereitgestellt sein.
- Spielplätze sollten auf städtischem Grund errichtet und auf Kosten der Stadt betrieben werden
- Die Zahl der Gemeinden mit Spielplätzen in USA wuchs von 90 im Jahr 1907, auf 531 im Jahr 1910.
- Im Juni 1907 fand in Chicago ein weiterer Kongress statt.
- 1909 wurde ein Lehrplan zur Ausbildung von Freizeit und Spielplatzleitern erstellt.
- 1910 Änderung der PAA, Playground and Recreation (Freizeit) Association of America (PRAA)
- 1924 gab es in den USA 5.006 Spielplätze mit 15‘871 Beschäftigten.
- 1930 hatte weniger als 1/5 der amerikanischen Kinder im schulpflichtigen Alter Zugang zu Spielplätzen
Plank Swing 1909 Spielgerät einer Blindenschule in der Nähe Bostens
Ein Englischer Fabrikant als Erfinder der Spielgeräten
1921 eröffnete Charles Wicksteed, ein Ingenieur und Geschäftsmann aus Kettering (England), einen 25 ha grossen Freizeitpark, nachdem seine Fabriken während des 1. Weltkrieges noch Munition herstellten. Seine Absicht war es ein Modeldorf mit Erholungseinrichtungen für Fabrikarbeiter zu schaffen. Dafür entwickelte er die ersten Spielplatzgeräte. So gilt er als Erfinder der "Ocean Wave" und weiteren Spielplatzgeräten wie Schaukeln, Rutschen und Karussells.
Impressionen:
Spielplätze als fester Bestandteil der Gesellschaft
Im Jahr 1929 wird das Wort Spielplatz zum ersten Mal in Meyers Lexikon aufgeführt. Der Spielplatz wurde zum festen Bestandteil unserer Kultur. Immer mehr unterschiedliche Spielgräte eroberten die Städte, die Kindergärten und die Schulen. |
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Der Erfindungsreichtum von Spielgeräten
In den 1920 bis 1940iger Jahren, kannte der Erfindungsreichtum von neuen Spielgeräten keine Grenzen.
Der Erfindungsreichtum von Spielgeräten
Katalog der Firma FUN FUL Playground Equipment Linie 1932. Kokomo Indiana, USA
1922/23 erhielt die Firma die Goldmedaille der Brasilianischen Regierung aufgrund der Überlegenheit der Fun-Ful-Produktlinie von Spielplatzgeräten. |
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Der Erfindungsreichtum von Spielgeräten
FUN FUL mit Verkaufsvertretungen in England, Kanada, Mexiko, Island, Kuba, Philippinen und Honolulu
Der Erfindungsreichtum von Spielgeräten
Historische Spielgeräte im Playground-Park Katanning, West-Australien. Die Spielanlage wird heute noch genutzt und ist öffentlich zugänglich. |
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Der 2. Weltkrieg verzögerte die Spielplatzentwicklung
Viele Spielanlagen wurden zerstört. Es fehlte an Materialien und an Geld, um neue Spielplätze zu bauen. Die Kinder suchten dennoch das spielen.
Neue Werkstoffe
Nach dem zweiten Weltkrieg bestimmte vorwiegend der Baustoff «Metall» den Spielgerätebau.
Historischer Katalog aus dem Jahr 1957 aus Yverdon
Neue Werkstoffe
Historische Spielplatzgeräte aus Metall welche bis heute überlebt haben:
Neue Werkstoffe / Neue Spielphilosophien
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Neue Werkstoffe / Neue Spielphilosophien–"Gerümpel Spielplätze"
1943 liess Sørensen während der deutschen Besatzung Dänemarks, in Emdrup den ersten Gerümpel Spielplatz Europas erstellen. Er füllte einen grossen freien Platz mit Baumaterial wie Bretter, Äste, Pneus, Steine und Kartonboxen. Von seinen Kritikern wurde dieser als "Ort des Chaos und der Anarchie" beschimpft. Die Kinder haben diese Anlage sofort in Beschlag genommen.
Nach dem zweiten Weltkrieg, aber vor allem in den 1960er Jahren, verbreiteten sich die "Grümpel Spielplätze" oder "Schrottspielplätze" auch in der Schweiz. Die Pro Juventute nimmt unter der Leitung von Alfred Ledermann (1919 2016), in den 1950er Jahren eine führende Rolle in Europa ein. Zusammen mit dem Architekten Alfred Trachsel entsteht 1954 der erste Robinson Spielplatz in Zürich Wipkingen.
Der Robinsonspielplatz in Zürich Wipkingen sollte die Kinder von der Strasse fernhalten. Der TCS machte deshalb Werbung dafür. Quelle: Baugeschichtliches Archiv/Ingeborg Heise
Neue Werkstoffe
In den 1960 Jahren wurde Holz im Spielplatzbau (wieder) entdeckt. 1966 begann die Firma Richter aus Frasdorf (D) als eine der ersten Firmen, serienmässig Spielplatzgeräte aus Holz herzustellen. Etwa zeitgleich produzierten die Firma Bürli und Hinnen die ersten Spielplatzgeräte aus Holz.
Die Vielfalt an Formen und Materialien nimmt zu
Weitere neue Formen und Materialien wurden eingesetzt.
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"Träumer und Querdenker"
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"Feuer , Erde, Wasser, Luft bilden unsere Welt. Und das schon immer. Die vier Elemente begleiten Kinder in Träumen, bei Ihren Expeditionen ins Unbekannte und im Spiel, in lebendigen Auseinandersetzungen mit den Elementen setzen Kinder alle ihre Sinne ein.
Wirklich alle! Da gibt's Kinder, die gerne mit Unsinn und Blödsinn experimentieren, Schönsinn und Gleichgewichtssinn anpeilen, sich mit ihrem Verstecksinn unterwegs zu neuen Abenteuern den Lust Sinn erweitern. Spielerische Umwege vergrössern das Wissen der Kinder, erweitern ihre Welten.
Hand auf's Herz wer von uns hat nicht genau so viel aus Fehlern gelernt?"
- Toni Anderfuhren
Ein übertriebenes Sicherheitsdenken verdrängt Spielgeräte und Kinder
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Wippen im Central Park im Jahr 1953.Kredit...Bettmann , über Getty Images |
Die "Sicherheit" erobert die Spielplätze"
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Ein übertriebenes Sicherheitsdenken verdrängt Spielgeräte und Kinder
1976: Erste Veröffentlichung einer Sicherheitsnorm für Spielplätze in Deutschland. Die damalige DIN 7926 für Kinderspielgeräte umfasste nur acht Seiten. Darin wurden die wichtigsten Schutzziele beschrieben: Mindestanforderungen an Geländer, eine maximale Fallhöhe, Mindestbodenqualität und eine regelmässige Kontrolle festgelegt. Die Norm wurde mehrmals überarbeitet und 1998/9 mehrheitlich als Europäische Norm 1176 übernommen.
Es wurde damit dem Umstand Rechnung getragen, dass immer mehr Menschen, Bauämter und Gerätehersteller klare Vorgaben und Regeln forderten, für ein sichereres und unsichereres Handeln. Die EN 1176 folgt damit dem Trend alle Risiken beherrschen zu wollen. Eine Besinnung auf das Wesentliche (Schutzziele) ist sicherlich bei allen Interessierten (Versicherer etc.)
Wohin geht die Reise?
Neue Bewegungsarten wie Ninja, Parkour, Chase Tag, Street Workout, Tricking und Bigbounce bestimmen zunehmend das Freizeitangebot.
Neue Herausforderungen…
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„Der Spielplatz ist eine der letzten Oasen, wo das freie Spielen nicht verboten sein sollte.“
Wir sollten wenn immer möglich, das Spielen ermöglichen und fördern, und nicht durch e n falsch verstandenes und übertriebenes Sicherheitsdenken, Kinder in ihrer Entwicklung und Spielfreude einschränken. Denn heute besteht das grösste Risiko darin, dass Kinder ohne Risiko aufwachsen.
GTSM Magglingen AG, seit rund einem halben Jahrhundert im Spielplatz-Bau tätig, mit vielen Referenzen in der ganzen Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein, zeichnet sich aus durch Qualität und Service aus einer Hand und von A bis Z bei Analyse, Planung und Bau eines Spielplatzes oder einer Freizeit- oder Sportanlage. GTSM Magglingen AG berät Sie gerne und für Sie unverbindlich! Kontaktieren Sie GTSM unter: Tel. 044 461 11 30 oder per E-Mail: info@gtsm.ch
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von Andreas Hochstrasser, Inahber Spielplatzzone.ch und Präsident der SVSS (Schweizerische Vereinigung für die Sicherheit von Spielanlagen) aus "Die Entstehungsgeschichte von Spielplätzen", Fachreferat an der 10. Fachtagung Spielplatzsicherheit am 31.10.2023, Expo Bern